…und es kam schlimmer
25 07 2011Sodele, das Boot in Brasil letztes Jahr war ja auch voll und wenig Platz zum Schlafen. Schlimmer kann es auch nicht mehr kommen, dachte ich mir. Aber seht selbst:
Letzten Dienstag wartete also in Concepcion die Lancha, um uns flussaufwaerts zu bringen. Mit dem „Comisario“ tags zuvor besprochen, dass gegen 8 Uhr der Kahn geentert werden kann. Gut, also frueh raus und schonmal 7.30 alles klar gemacht, wohnte ja direkt am Hafen. Gleich die schlechte Aussicht. Natuerlich sind Leute schon am Einsteigen bzw. Einige drauf. Immer die Frage: Geht man zu frueh hin ist man der ungeduldige Touri, zu spaet dann hat man die Arschkarte. Von der Hospedaje-Mama noch die Info bekommen, dass der Bus, der in die gleiche Richtung geht, nicht gefahren war und deshalb natuerlich umso mehr Leute an Bord sind. Sauber! Also mal mit dem „Handgepaeck“, Haengematte und Verpflegungstaschen rueber ueber das wackelige Holzbrett und rauf auf die Aquidaban. Claro, alles genagelt voll, siehe auch die noch unbeschrifteten Bilder. Sachen in ein Eckle gelegt, taktischer Weise mal an 2 verschiedenen Orten. Rucksack noch aus Zimmer geholt und auf dem Dampfer aufs Baenkle gestellt. Seitlich an einem kleinen Seiten-Ausgang auf den „Flur“ ausserhalb des Deckes und innerhalb der Bordwand hingestellt und ab und an Leute nach draussen gelassen, Gepaeck rausgepackt, etc.
Irgendwann kam eine Nordamerikanerin (Maya, wie sich spaeter rausstellte) vorbei und stritt sich mit einer der aelteren paraguayanischen Frauen um so einen Eisenhaken, den sie sich von eiem Crew-Mitglied besorgt hatte, um irgendwo ihren Rucksack aufzuhaengen. Beeindruckende Szene!
Immer wieder an den anderen Orten meine Siebensachen kontrolliert. Der Rucksack (auf der anderen Seite des Bootes) war jeweils an einem anderen Platz zu finden als bei der letzten Kontrolle. So wanderte er nach draussen aufs Deck, bis er dann auf einer Transportgut-Kischte zur Ruhe kam. Obendrauf und fast schon auf Hoehe des oberen Endes der Reeling (Gelaender das jeweils an den Seiten eines Schiffes Sachen und Leute vor dem rausfallen bewahrt). Meine Essenstasche (Stofftasche „Brot- und Feinbaeckerei Karl Schneider“) war von so einem Haken auf dem Boden „gelandet“. Aber alles noch vorhanden. Mein lauschiges, zugiges Plaetzle an dem kleinen Seitenausgang hatte ich beim Kontrollgang verloren, also verholte ich mich aufs Deck nach draussen. und lehnte mich mit Blick auf den Fluss an eine Kischte. Vom oberen Deck sprach mich Sabine an, ob ich Florian waere. Schoene Gruesse von Nathalie, der Franzoesin, die sie in ihrer Unterkunft auf so einer Touri-Estancia eines ausgewanderten Deutschen getroffen hatte. Mittlerweile waren wir unterwegs. Schwaetzle, das mir etwas Nackenverspannung bereitete, weil ich musste mich ja mit Blick nach draussen an die Kischte lehnen, weil sonst die Leute nicht mehr vorbei gekommen waeren. Um aber mit Sabine zu reden musste ich den Kopf um gut 100 Grad drehen, ohne dabei den Rest des Koerpers zu drehen. Kurz mal ein Obst holen, da war mein eigentlich gemuetlicher Kischten-Stehplatz weg. Also in den Tuerrahmen zwischen Aussenbereich des Deckes und innen gestellt und die Zeitung so klein gefaltet, dass ich sie lesen konnte und beim Weg heben, damit Leute vorbei koennen (Frequenz: ca. alle 60 Sekunden). So hab ich dann die Zeitung gelesen, so ausfuehrlich wie selten. Ab und an mal in die Hocke, um alles zu entspannen und kurz zu ruhen. Letztendlich stellte man dabei aber auch nur fest, dass die Knie mit den Jahren auch nicht besser werden. Beim wiederaufstehen dankte der Kreislauf die Wasserzufuehrungsknappheit einem mit einem Runterfahren seiner Aktivitaet, was bekanntlich zu einem kurz andauernden verschleiernden Sichtfeld, krippelnden Stellen und Gleichgewichtsstoerungen fuehrt (man trank ja wenig, damit man sich nicht so oft aufs Klo durch die Menschen schlagen musste). Aber zum Ausgleich hab ich meinen Koerper mit einer gesunden, fritierten Milanesa (paniertes Schnitzel) und einer Sopa Paraguaya (keine Suppe, sondern so eine Torte, wie Eierkucken oder Tortilla) belohnt. So vergingen dann die Stunden. Nach ca. 8 Stunden hab ich mich dann mal irgendwo zum ersten Mal kurz hingehockt.
Mittlerweile mal Gedanken gemacht, wie man den wohl schlafen koennte, aber die zuendende Idee kam da noch nicht auf. Also mal abwarten, bis sich alle pennen legen und vielleicht irgendwo ein Plaetzle erhaschen…redet man sich dann eben ein. Klar, kann man machen. Nur, die Leute zaubern sich ja nicht weg, nur weil man cool bleibt. Abendessen aus meinem reichen Provianteschatz war mittlerweile auch gestrichen, da ich auf die andere Seite nicht mehr kam, da ein kleines Kind am Durchgang pennte und der weg aussenrum an allen Leuten vorbeibitten (einmal hin, einmal zurueck) zu umstaendlich. Man muss ja auch nicht immer so viel essen, vor allem wenn man eh den ganzen Tag nur bloed rumsteht und Zeitung liest und Fritiertes frisst. Dann die Idee: Die Treppe aufs obere Deck. Man koennte doch…klar das ist es. Wenn alle schlafen kommt da eh keiner mehr vorbei. Gesagt getan, zur Schlafenszeit dorthin und so konnte ich einmal tatsaechlich zwischen ca. 3 und 5 Minuten sitzen, ohne dass irgendjemand vorbei wollte und mit seinen Knien und Hueften meine Schultern maltraetiert haette. In der Tat bin ich sogar einmal ganz kurz eingeschlafen. Mittlerweile machten sich die Frauen schon ueber mein staendiges Hinstehen-Hinsitzen luschtig. Ich war also dem Denkfehler aufgesessen, dass der breitschultrige Schwabenhuehne auf einer 60-70 Zentimeter breiten Treppe hinsitzen koennte und trotzdem Leute vorbei kommen koennten. Der groesste Fehler war allerdings ein unvermeidbarer, da fehlende Erfahrung auf diesem Boot: Die ganze Nacht war Menschenverkehr, Leute stiegen sogar aus oder kamen an Bord. Zwischen Gymnastikuebungen und Musikhoeren knobelte ich also Plan B aus. Beim naechsten umstaendlichen Toilettengang mal dort die Lage checken. Wer will schon neben den stinkenden Klos schlafen? Antwort: Alle, die sonst keinen Platz haben. Die Amerikanerin Maya pennte dort auf der Bank, als Frau natuerlich mit Vorteilen, da sie Platz gewaehrt bekommen. Gut, wenigstens konnte ich dort mal stehen und das Ausweichen des Verkehrs war leichter weil vor den Klotueren niemand sass oder lag. Also mal von diesem strategischen Punkt aus die Lage gecheckt. Topp, da stand einer hin… tauchte aber gleich im Maschinenraum nebenan ab. Der Maschinist. Mal auf sein Plaetzle auf dem Baenkle gehockt. Unfreundlich aber trotzdem bestimmt hat er mir dann kurz spaeter einen Feldverweis erteilt (ich hab ihn natuerlich gefragt, ob er wieder hinsitzen will). Aber netterweise erzaehlt, dass dort vorne grad Platz geworden ist. Super, schlafen…und hin. Ich war etwas enttaeuscht. Mein „Liegeplatz“ bestand aus einem Bankende, ca. halber Meter breit. Na gut immerhin. Zuruecklehnen war allerdings zu viel des Guten, hang mir doch die Haengematte eines darin schlafenden im Nacken. Aber nach vorne gebaeugt, Haende auf den Knien, Kopf in die Haende, war so etwas wie schlafen moeglich. Ein Bisle zumindest. Die erste Nacht also auf dem Boot. Ab da wurde es dann aber tatsaechlich besser. Ein Foto von meinem Bett gibts nicht. Habs aber gemalt und abfotografiert, siehe Bilder. Mehr zur Reise und meinem spannenden Weg durch den Chaco (siehe Bilder, Tiere) ein anderes Mal. Jetzt gleich ordentlich Fleisch essen, bevor`s heut Nacht nach Bolivia geht, wo`s etwas einfacheres Essen geben wird.
Adele aus Loma Plata, deutsche Kolonie im Chaco, Paraguay. Winter, gut 30 Grad, die Sonne brutzelt.